Nachhaltige Gemeinschaftsgastronomie

Wissenschaftliche Begleitung der Allianz für Verantwortungsvolle Esskultur (AVE)

Regionalwert Research arbeitet seit Sommer 2024 mit der gemeinnützigen Organisation ProjectTogether am Aufbau einer Allianz für die nachhaltige Gemeinschaftsgastronomie. Wir übernehmen die Rolle der Wissenschaftspartnerin und bringen unsere Expertise zur Messung von nachhaltigem Wirtschaften ein.

Den ersten gemeinsamen Workshop haben wir beim Farm-Food-Climate Festival im September 2024 veranstaltet. Gemeinsam mit mehr als einem Dutzend Teilnehmenden begaben wir uns auf eine utopische Zeitreise mit dem Motto „2030: Die nachhaltige Gemeinschaftsgastronomie ist Realität geworden!“.

Vision

Transparente und verantwortungsvolle Esskultur, die gut für Mensch und Erde ist, wird Standard in der Gemeinschaftsgastronomie. Wir liefern das Indikatorensystem und die Methodik.

Mission

Die Befähigung aller Einrichtungen der Gemeinschaftsgastronomie in Deutschland, eine gesunde und nachhaltige Verpflegung geschmackvoll umzusetzen. Wir übernehmen die wissenschaftliche Begleitung.

 

Problem

Das derzeitige Ernährungssystem ist einer der Haupttreiber ökologischer Krisen wie dem Klimawandel und dem Verlust der Biodiversität. Es fehlt ein Mess- und Bewertungsstandard für Nachhaltigkeit in der Gemeinschaftsgastronomie.

 

Hebel & Momentum

Die Gemeinschaftsgastronomie in Deutschland verpflegt täglich ca.16 Mio. Menschen mit knapp 40 Mio. Mahlzeiten. Durch diese Reichweite und Kaufkraft ist sie ein bedeutender Hebel für gesellschaftliche Ernährungsveränderung sowie für eine nachhaltige und faire Transformation von Landwirtschaft und Handel. Gesellschaftlich und politisch steht sie daher derzeit im Fokus.

Im Februar 2024 startete die Allianz für Verantwortungsvolle Esskultur.

 

Herausforderung

Die Gemeinschaftsgastronomie liegt noch weit hinter den Möglichkeiten und Erwartungen zurück. Ein zentrales Problem ist das Fehlen eines akzeptierten, multidimensionalen Standards, der nachhaltige Verpflegungskonzepte beschreibt, sowie messbare Indikatoren bzw. Ziele, mit denen Fortschritt gesteuert und gemessen werden kann. Diese Intransparenz führt u.a. zu einer ineffizienten bzw. verschleppten Umsetzung, zu mangelnder Verfügbarkeit nachhaltiger Produkte und einer fehlenden Grundlage für politische Fördermaßnahmen und “gute” Ausschreibungen.

© Project Together

Lösung

Um die Herausforderungen der Gemeinschaftsgastronomie zu überwinden, sind datengetriebene und zielorientierte systemische Lösungen notwendig, die den gesamten Sektor transformieren. Hierfür braucht es kollaborative, systemübergreifende Ansätze, die neue Wege gehen sowie bestehende Lösungen bündeln und skalieren.

 

Projekt-Ansatz

Wir formieren eine Umsetzungs-Allianz aus Branchen-Pionier:innen der Gemeinschaftsgastronomie, die sich aktiv für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen einsetzen. Hierdurch schaffen wir eine Pull-Effekt aus und in der Branche und eine systemische Plattform, die durch Peer-to-Peer-Lernen und systemübergreifende Zusammenarbeit die breite Umsetzung in der Praxis ermöglicht. Als Steuerungselement dient ein SMART*-basiertes, multidimensionales Indikatorensystem, welchem messbaren und praxisnahe Ziele für Nachhaltigkeitsfaktoren wie z.B. Bio-Anteil, Food Waste und Plant/Animal Ratio zugrunde liegen. Status und Progress der wachsenden Gruppe an teilnehmenden Betrieben werden regelmäßig gemessen und Maßnahmen, die im Transformationsprozess ergriffen werden, aufgearbeitet, in ihrer Wirksamkeit evaluiert und anderen verfügbar gemacht.

 

Initiator:innen

Das Projekt wird von Farm-Food-Climate einer Mission von ProjectTogether geleitet und in Kooperation mit Regionalwert Research durchgeführt. Farm-Food-Climate bringt Akteure aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um die sektorübergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Regionalwert Research unterstützt als wissenschaftliche Partnerin die Entwicklung der Nachhaltigkeitsindizes und Zielwerte sowie bei Datenmanagement und – auswertung und der Wirksamkeitsbewertung der Maßnahmen.

 

Methodik

Klar formulierte und messbare Ziele schaffen nicht nur Transparenz, sondern bieten auch Orientierung. Sie motivieren die Unternehmen, gezielt an Hebeln und Strategien zu arbeiten, um die vereinbarten Ziele bestmöglich zu erreichen. Die Die Ziele sind mit eindeutig definierten Indikatoren verknüpft, die sich am Kopenhagen-Modell orientieren und die zentralen Nachhaltigkeitsfaktoren der Gemeinschaftsgastronomie abbilden.
Die ausgewählten Messgrößen sind praxisnah und basieren auf den vorhandenen betrieblichen Systemen, wie etwa dem Warenwirtschaftssystem.
Die Daten werden regelmäßig erhoben und im Verhältnis zu den Zielen ausgewertet. Die Ergebnisse fließen in einen Gesamtwert für die AVE ein, der die Fortschritte sichtbar und nachvollziehbar macht. Die Formulierung der Ziele orientiert sich nach dem SMART-Prinzip (SMART = specific – measurable – achievable – relevant – time-based).

Pflanzliche Lebensmittel

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Anteil pflanzlicher Produkte am Gesamteinkauf in Euro

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Ein höherer Anteil pflanzlicher Produkte auf dem Teller bringt sowohl ökologische als auch gesundheitliche Vorteile. Studien zu True Cost Accounting zeigen, dass tierische Produkte mit hohen Umwelt- und Gesundheitskosten verbunden sind.

Die Messgröße hierfür ist der Anteil pflanzlicher Produkte am Gesamteinkauf, berechnet in Euro. Dies erfolgt indirekt, indem zunächst der Anteil tierischer Produkte ermittelt wird – Fleisch- und Wurstwaren, Fisch, Molkereiprodukte und Eier – und dieser vom Gesamteinkaufswert abgezogen wird.

Die Planetary Health Diet empfiehlt einen Anteil von 75 % pflanzlicher Produkte (in Bezug auf das Gewicht).

Bislang bietet die traditionelle deutsche Esskultur, bei der das Mittagessen als zentrale warme Mahlzeit oft tierische Produkte in den Fokus rückt, noch erhebliches Potenzial zur Reduktion. Besonders herausfordernd ist dies in den Care-Bereichen mit Vollverpflegung, wo eine Umstellung auf mehr pflanzliche Optionen anspruchsvoll, aber besonders wirksam ist.

Ökologische Lebensmittel

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Anteil Bio-Produkte in Euro am Gesamteinkauf in Euro (EU-Bio-Siegel)

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Ökologisch erzeugte Lebensmittel sind schonend für Klima, Wasser, Boden und Artenvielfalt, da sie ohne chemisch-synthetische Pestizide und mineralische Dünger erzeugt werden. Zudem stehen sie für höhere Tierwohlstandards und sind ein Gewinn für die menschliche Gesundheit.

Die Messgröße basiert auf dem Einkaufswert in Euro im Verhältnis zum Gesamteinkaufswert. Berücksichtigt werden alle Produkte, die mindestens das EU-Bio-Label tragen.

Bundesprogramme streben bis 2030 einen Anteil von 30 % ökologischen Landbaus und 20 % Bio-Anteil in der Gemeinschaftsgastronomie an. Die Bio-Außer-Haus-Verordnung bietet ein Zertifikat: Bronze ab 20 %, Silber ab 50 %, Gold ab 90 % Bio-Anteil. Mit einem Ziel von 40 % setzt die Gemeinschaftsgastronomie ein ambitioniertes Zeichen, da der aktuelle Bio-Anteil in diesem Bereich meist noch im einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich liegt.

Faire Beziehungen

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Anteil Fair-Trade-Produkte an marktrelevanten Fair-Trade-Produkten im Gesamteinkauf

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Faire Produktionsbedingungen tragen zu besseren Arbeits- und Lebensbedingungen für Landwirt:innen im Globalen Süden bei. Der Begriff „fair“ ist nicht gesetzlich geschützt, jedoch steht das Fair-Trade-Siegel für klare Standards: Es kennzeichnet Produkte, die zu 100 % aus Fair-Trade zertifizierten Rohstoffen bestehen und garantiert u. a. Mindestpreise, langfristige Handelsbeziehungen, ein Verbot von Kinderarbeit und Arbeitsschutzmaßnahmen gemäß den ILO-Kernarbeitsnormen.

Der Anteil von Fair-Trade-Produkten in der Gemeinschaftsgastronomie ist derzeit noch gering. Die AVE legt den Fokus auf marktrelevante Produkte, die sowohl eine Bedeutung für den Gesamteinkauf haben als auch in den notwendigen Mengen verfügbar sind. Der Schwerpunkt liegt zunächst auf Bananen, Kaffee und Kakao.

Unfaire Produktionsbedingungen wie Kinderarbeit oder der Einsatz von Pestiziden ohne Arbeitsschutz stellen gravierende ethische Probleme dar. Daher strebt die AVE an, das gesamte Sortiment schrittweise auf Fair-Trade-Produkte umzustellen, um ihrer Verantwortung in globalen Lieferketten gerecht zu werden.

Lebensmittelabfälle

Ein Messsystem zur Reduktion der Lebensmittelabfälle ist etabliert. Im Idealfall besteht zusätzlich eine externe Zertifizierung

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Die AVE hat sich das Ziel gesetzt, Lebensmittelabfälle signifikant zu reduzieren. Während viele Unternehmen bereits Abfälle messen, geschieht dies derzeit auf unterschiedliche Weise, was die Vergleichbarkeit erschwert. Ein entscheidender Schritt ist daher die Einführung eines einheitlichen Messsystems für Lebensmittelabfälle. Dieses ermöglicht nicht nur ein effektives Controlling, sondern auch das gezielte Management von Maßnahmen zur Reduktion. Idealerweise wird das Messsystem durch eine externe Stelle wie die Kompetenzstelle Außer-Haus-Verpflegung (KAHV) zertifiziert, um die Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen zu gewährleisten. Eine Weiterentwicklung des Indikators ist in Planung.

Die „Zielvereinbarung zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen in der Außer-Haus-Verpflegung“ zwischen dem BMEL und den Branchenverbänden strebt bis 2030 eine Reduktion der Lebensmittelabfälle um 50 % an. Dieses Ziel deckt sich sowohl mit den Vorgaben der KAHV als auch mit den Empfehlungen der Planetary Health Diet.

Saisonal / Regional

Orientierung der Menügestaltung am Saisonkalender. Der genaue Zielwert für Regionalität ist aktuell in der Entwicklung.

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Die AVE setzt sich dafür ein, den Anteil saisonaler und regionaler Produkte auf dem Teller zu erhöhen. Regional erzeugte Lebensmittel punkten mit kurzen Lieferwegen, fördern transparente Wertschöpfungsketten und stärken die regionale Wirtschaft. Saisonales Obst und Gemüse überzeugen durch Frische, Vielfalt und ihren Beitrag zu einer ausgewogenen Ernährung. Aus diesem Grund orientiert sich die AVE bei der Menügestaltung am Saisonkalender.

Die Messung von Regionalität stellt insbesondere Unternehmen mit mehreren Standorten vor Herausforderungen. Weder Wissenschaft noch Politik bieten bislang eine einheitliche Definition für regionale Produkte. Daher befindet sich die Festlegung eines Zielwerts aktuell noch in der Entwicklung.

Gästezufriedenheit

Tischgäste werden über Beschaffungs- und Nachhaltigkeitsstrategie informiert. Tischgäste können die Essensqualität bewerten.

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Essen wird nur angenommen, wenn es schmeckt – daher ist die Zufriedenheit der Tischgäste ein zentraler Indikator für die Transformation. Gleichzeitig gewinnen Transparenz bei der Beschaffung und Informationen zu Nachhaltigkeitsmaßnahmen zunehmend an Bedeutung.

Tischgäste sollen die Möglichkeit erhalten, die Essensqualität zu bewerten. Die Methoden zur Erhebung der Gästezufriedenheit müssen dabei an die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Zielgruppe angepasst werden. Insbesondere bei Gruppen, die sich nicht einheitlich befragen lassen, sind ethische und datenschutzrechtliche Aspekte bei der Wahl der Bewertungsinstrumente zu berücksichtigen.

Die AVE fördert die Gästezufriedenheit, indem sie über ihre Beschaffungs- und Nachhaltigkeitsstrategien informiert. Dazu zählen Angaben, ob Zutaten bio, regional, pflanzenbasiert oder fair produziert sind, sowie Hinweise auf Partnerschaften entlang der Wertschöpfungskette. Diese Transparenz ermöglicht es den Tischgästen, bewusste und nachhaltige Entscheidungen zu treffen.

 

#gemeinschaftsgastronomie #ernährung #planetaryhealth
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Kontakt

Steckbrief

Projektstatus: laufend
Laufzeit: ab Juli 2024
Forschungsbereich: Land- und Ernährungswirtschaft
Methode: Nachhaltigkeitsbewertung
Vorgängerprojekte: NEUE WEGE Leipzig

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